Donnerstag, 28. März 2024

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Abstimmung über Maghreb-Staaten
"Die Grünen müssen Farbe bekennen"

Am Freitag stimmt der Bundesrat über die geplante Asylrechtsänderung ab, nach der Marokko, Algerien und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden sollen. Der CSU-Politiker Stephan Mayer hat die Grünen aufgefordert, Farbe zu bekennen. Sie müssten klar machen, ob sie tatsächlich die Parteitaktik vor die Sachlichkeit stellten, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im DLF.

Stephan Mayer im Gespräch mit Christiane Kaess | 14.06.2016
    "Sie müssen klar machen, ob es ihnen wirklich darum geht, dass die Asylverfahren beschleunigt werden, was sie ja immer selbst fordern und proklamieren", sagte Mayer im DLF. Er deutete an, dass es der Partei seiner Meinung nach vordringlich um die eigene Profilierung geht.
    Der Unions-Abgeordnete bekräftigte, dass das individuelle Recht auf Asyl auch für Bürger der Maghreb-Staaten weiter bestehen bleibe: "Das Asylrecht wird nicht ausgehöhlt, sondern es kommt insbesondere zu schnelleren Verfahren." Diese beschleunigten Verfahren genügen laut Mayer allen rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, gleichzeitig würden aber Kapazitäten für andere Asylbewerber frei.
    Er räumte ein, dass es in den nordafrikanischen Staaten tatsächlich Menschenrechtsverletzungen gebe. Es gebe aber keine strukturelle Verfolgung und Folter. Derzeit liege die Anerkennungsquote für Asylbewerber aus diesen Staaten bei unter einem Prozent.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Verhärtete Fronten im Streit um die Einstufung von Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsländer, in die dann schneller abgeschoben werden könnte. Die Bundesregierung erhöht den Druck auf die Grünen. Von denen nämlich hängt es ab, ob am Freitag das Gesetz im Bundesrat zustande kommt. Mehrere, von den Grünen mitregierte Länder haben bereits signalisiert, sie würden nicht zustimmen. Im Moment richtet sich die Aufmerksamkeit vor allem auf die grün-schwarze Koalition in Baden-Württemberg.
    Dort hat sich der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann auch nach einem Vier-Augen-Gespräch gestern mit Thomas Strobl, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten von der CDU, nicht öffentlich dazu geäußert. Entschieden werden soll definitiv in einer Kabinettssitzung heute. - Darüber sprechen möchte ich mit Stephan Mayer. Er ist innenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Guten Morgen, Herr Mayer.
    Stephan Mayer: Guten Morgen. Grüß Gott!
    Kaess: Bisher kein einziges Bundesland, in dem die Grünen mitregieren, das angekündigt hätte, für das Gesetz zu stimmen. Welche Hoffnung haben Sie denn eigentlich noch?
    Mayer: Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Vernunft noch einkehrt. Es handelt sich bei diesem Gesetz um ein sehr wichtiges Gesetz und am kommenden Freitag müssen die Grünen Farbe bekennen. Sie müssen klar machen, ob es ihnen wirklich darum geht, dass die Asylverfahren beschleunigt werden, was sie ja immer selbst fordern und proklamieren, oder ob es ihnen wirklich vordringlich um die eigene Profilierung geht und ob sie die Parteitaktik vor die Sachlichkeit stellen.
    "Die erste, wichtige Bewährungsprobe für grün-schwarze Regierung"
    Kaess: Lassen Sie uns einen kurzen Blick auf Baden-Württemberg werfen. Was bedeutet dieser Konflikt für die schwarz-grüne Koalition dort?
    Mayer: Dieser Konflikt ist wirklich die erste wichtige Bewährungsprobe für die grün-schwarze Regierung. Es steht ausdrücklich im Koalitionsvertrag, dass die baden-württembergische Landesregierung diesem Gesetzentwurf im Bundesrat zustimmen wird. Es war ja schon zu Beginn der Verhandlungen klar, dass sich diese Frage stellen wird, weil der Gesetzentwurf im Bundestag schon verabschiedet war. Und wenn Kretschmann hier nach so kurzer Zeit schon wortbrüchig werden würde, dann wäre dies aus meiner Sicht ein denkbar schlechter Start für ihn als Ministerpräsident der ersten grün-schwarzen Landesregierung.
    Kaess: Ja gut. Da gibt es im Koalitionsvertrag, muss man auch dazu sagen, inhaltliche Einschränkungen. Sie haben jetzt auch gesprochen von einer parteipolitischen Profilierung der Grünen. Kretschmann sagt aber, es gehe genau eben nicht um parteipolitische Erwägungen, sondern um verfassungsrechtliche Erwägungen. Und wenn wir da mal genauer hingucken? Da steht tatsächlich: "Staaten können zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden, wenn es gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung, noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet." Das wissen wir, das gilt nicht für die Maghreb-Staaten.
    Mayer: Anerkennungsquoten von 0,00 Prozent bei Tunesiern
    Mayer: Da bin ich anderer Meinung. Man sollte doch die Zahlen zurate ziehen und wir haben verschwindend geringe Schutzquoten bei den Bewerbern aus den drei Maghreb-Ländern, und zwar nicht erst nur kurzfristig, sondern über einen langen Zeitraum hinweg.
    Wir haben bei den Tunesiern Anerkennungsquoten von 0,00 Prozent und bei den anderen beiden Ländern von um die ein oder deutlich unter einem Prozent, teilweise niedrigere Schutzquoten als bei den Westbalkan-Ländern. Natürlich gibt es Menschenrechtsverletzungen in den drei Ländern. Das ist unbestritten. Aber eines muss auch klar gesagt werden, da versuchen die Grünen immer ein anderes Bild zu zeichnen:
    Wenn ein Land als sicheres Herkunftsland eingestuft wird, dann heißt dies ja mitnichten, dass nicht die Möglichkeit besteht, ein individuelles Asylverfahren durchzuführen. Natürlich bleibt es auch bei den sicheren Herkunftsländern beim individuellen Anspruch auf Asyl.
    Nur es gibt eine Anscheinsvermutung, dass keine politische Verfolgung vorliegt, aber die kann natürlich auch widerlegt werden. Das Asylrecht wird nicht ausgehöhlt, sondern es kommt insbesondere zu schnelleren Verfahren. Wir haben dies bei den Westbalkan-Ländern gesehen, dass dann die Verfahren innerhalb von einem Monat abgeschlossen werden können. Und wenn wir uns ansehen: Wir haben noch 26.000 Asylbewerber aus diesen drei Ländern, die im letzten Jahr zu uns gekommen sind. Da würde ganz konkret die Einstufung als sicheres Herkunftsland etwas bringen und da hätten auch die anderen Flüchtlinge und Asylbewerber etwas davon, weil damit natürlich dann auch Kapazitäten frei werden würden für die Bewerber aus anderen Ländern.
    Mayer: Keine strukturelle politische Verfolgung
    Kaess: Aber Herr Mayer, Sie selber haben jetzt gerade die Menschenrechtsverletzungen angesprochen, und auch Bundesinnenminister de Maizière, der hat die ja offen zugegeben. Macht sich die Union da nicht unglaubwürdig?
    Mayer: Nein. Ich sehe uns da keineswegs in einer unglaubwürdigen Situation. Es gibt zu allen drei Ländern sehr gute Beziehungen. Es gibt klare Indizien und Hinweise, dass es keine strukturelle politische Verfolgung gibt, dass es auch keine strukturelle Folter von Gefangenen gibt. Wie gesagt: Wenn im Einzelfall doch eine Verfolgung vorliegt, dann kann auch weiterhin, selbst wenn ein Land als sicheres Herkunftsland eingestuft wird, der Flüchtlingsstatus ausgereicht werden, der subsidiäre Schutz ausgereicht werden, oder auch die Einstufung als Asylbewerber.
    Kaess: Aber da sagen die Kritiker, das sind verkürzte Verfahren, und da gibt es massive Zweifel an der Qualität dieser Verfahren. Deswegen sprechen ja die Grünen auch davon, dass es ein Ammenmärchen sei, dass Asylanträge von Menschen aus sicher eingestuften Herkunftsstaaten mit der gleichen Qualität geprüft werden als aus anderen Herkunftsstaaten. Es gibt ja diesen grünen Vorschlag, einfach nur die Verfahren schneller zu bearbeiten. Warum reicht das denn nicht?
    Mayer: Jetzt haben Sie gerade die Grünen zitiert. Die sagen, die beschleunigten Verfahren …
    Kaess: Verkürzte Verfahren!
    "Beschleunigte Verfahren leisten rechtsstaatlichen Anforderungen Genüge"
    Mayer: … oder verkürzte Verfahren, die sind rechtsstaatlich nicht geboten. Aus meiner Sicht kann man es sich nicht so einfach machen, einfach nur zu sagen, alle Länder, die eine Schutzquote unter einem bestimmten Prozentsatz liegen, bei denen werden die Verfahren verkürzt oder beschleunigt durchgeführt, weil das mag mal in einem Jahr über und dann im nächsten Jahr unter dieser Grenze sein.
    Rechtssicher, verfassungsrechtlich auf der sicheren Seite ist man nur, wenn man ein Land definitiv als sicheres Herkunftsland einstuft, mit der Folge, dass es dann diese sogenannten beschleunigten Verfahren gibt, die aus meiner Sicht auch allen rechtsstaatlichen Anforderungen Genüge leisten. Es gibt auch die Möglichkeit, dann entsprechend zu demonstrieren, Widerspruch einzulegen gegen einen ablehnenden Bescheid. Insoweit kann ich die Kritik der Grünen in keiner Weise nachvollziehen, dass dies unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht in Ordnung sei.
    Kaess: Herr Mayer, das Problem liegt ja auch bei der Rückführung. Die Herkunftsländer nehmen zum Teil ihre eigenen Leute gar nicht zurück und daran ändert das Gesetz überhaupt nichts.
    Mayer: Das ist richtig. Auf dem einen Blatt Papier steht die Einstufung als sicheres Herkunftsland, auf dem anderen Blatt steht, wie bekommen wir dann die abgelehnten Bewerber aus diesen Ländern auch wirklich außer Landes …
    Kaess: Aber das scheint ja das Hauptproblem zu sein.
    Mayer: Nein, es geht um beides zusammen. Zum einen, dass wir die Verfahren beschleunigen, dass es eine Anscheinsvermutung gibt, dass keine politische Verfolgung vorliegt. Und dann geht es darum, die Personen, die abgelehnt werden, wie gesagt die meisten bei den drei Maghreb-Ländern, dann außer Landes zu bringen. Und da war zum Beispiel unser Bundesinnenminister Ende Februar, Anfang März in den drei Ländern, hat die Innenminister dieser Länder auch an die Verantwortung erinnert, dass sie zum einen mal eigene Staatsangehörige zurücknehmen müssen, und zum anderen, dass sie doch bitte schön auch schneller mit dazu beitragen sollen, die Identität der jeweiligen Personen auch festzustellen, weil häufig ja behauptet wird, dass es sich bei den abzuschiebenden Personen eben nicht um Angehörige des eigenen Landes handelt. Da gibt es durchaus auch jetzt sehr belastbare Zusagen der Innenminister aus diesen drei Ländern.
    Aber wohl gemerkt: Da ist noch nicht alles so gut, wie es sein sollte. In der Praxis gibt es häufig Probleme mit den Abschiebungen von Bewerbern aus diesen drei Ländern. Aber das ist für mich kein Argument, nicht bei Beginn des Verfahrens mit dazu beizutragen, dass die Verfahren beschleunigt, möglichst innerhalb von einem Monat durchgeführt werden.
    Kaess: … sagt Stephan Mayer. Er ist innenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Danke für dieses Gespräch heute Morgen.
    Mayer: Bitte schön! Schönen Tag.
    Kaess: Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.